Am 8. Juli 2024 wurde das Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2024, Nr. 225) verkündet. Ziel der sogenannten „BImSchG-Novelle“ ist es, Genehmigungsverfahren zu vereinfachen und zu straffen sowie das Immissionsschutzrecht mit Blick auf den Klimawandel und den notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien anzupassen. Das neue Gesetz umfasst insbesondere zahlreiche Änderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie der 9. BImSchV (Verordnung über das Genehmigungsverfahren). Aus Anwenderperspektive sind die vorgenommenen Änderungen zu begrüßen.
Mehr Klimaschutz, mehr Digitalisierung und Erleichterungen beim Repowering von Windenergieanlagen
Ein wesentliches Ziel der Gesetzesänderung ist die zunehmende Anpassung und Ausrichtung des Immissionsschutzrechts auf den Klimaschutz. Deutlich wird dies bereits im neuen § 1 BImSchG, wo das Klima ausdrücklich als Schutzgut aufgenommen wird. Dadurch wird eine sichere Rechtsgrundlage für die Aufnahme von Regelungen zum Klimaschutz in die schutzgutsbezogenen Verordnungsermächtigungen geschaffen.
Umfassende Änderungen erfahren hat auch § 10 BImSchG, der Grundzüge des Verfahrens zur Anlagengenehmigung regelt. So wird in Zukunft gemäß § 10 I BImSchG die Antragstellung in elektronischer Form möglich sein, die Durchführung von Online-Erörterungsterminen u.a. mittels Video- oder Telefonkonferenz wird eingeführt (Abs. 6) und die öffentliche Bekanntmachung sowie die Auslegung der Unterlagen soll fortan überwiegend ebenfalls online erfolgen (Abs. 8). Dem Vorhabenträger bleibt es aber vorbehalten, nach § 10 VIII BImSchG der Veröffentlichung im Internet zu widersprechen, soweit er die Gefährdung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder wichtiger Sicherheitsbelange befürchtet.
Darüber hinaus wird die Möglichkeit zur Verlängerung der Genehmigungsfrist eingeschränkt. Die Genehmigungsfrist beträgt grundsätzlich im vereinfachten Verfahren drei Monate und im regulären Verfahren sieben Monate. Vor der Gesetzesänderung war es möglich, die Genehmigungsfrist wiederholt mit einfacher Begründung gegenüber dem Vorhabenträger zu verlängern, was teils zu erheblichen Verzögerungen im Genehmigungsverfahren geführt hat, bspw. bei Windenergieanlagen, aber auch bei industriellen Anlagengenehmigungen. Durch die Änderung von § 10 VIa 2 BImSchG wird die zuständige Behörde die Genehmigungsfrist künftig nur noch einmalig für bis zu drei Monate verlängern können. Weitere Fristverlängerungen sind danach nur noch auf Antrag oder mit Zustimmung des Antragstellers möglich.
Im Rahmen der Behördenbeteiligung (§ 10 V 3 BImSchG) muss eine zu beteiligende Behörde nun innerhalb von einem Monat eine Stellungnahme abgeben, sonst ist davon auszugehen, dass sie sich nicht äußern möchte, außer sie bittet um einmalige Verlängerung der Frist um einen Monat. Eine Fristverlängerung ist nicht möglich in Genehmigungsverfahren, die Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien oder zur Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zum Gegenstand haben.
Die BImSchG-Novelle enthält auch zahlreiche gesetzliche Erleichterungen insbesondere für Windenergieanlagen an Land. So ist durch Einführung des § 9 Ia BImSchG eine vorläufige Gesamtprognose und eine vorläufige Umweltverträglichkeitsprüfung hinsichtlich der Umweltauswirkungen des Gesamtvorhabens bei Windenergieanlagen nicht mehr notwendig. Vorhabenträger werden dadurch in Zukunft schneller Planungssicherheit durch Erlass eines Vorbescheids erlangen können.
Beim Repowering nach § 16b BImSchG darf nun die Errichtung der neuen Windenergieanlage bis zu 48 Monate (statt bisher 24 Monate) nach Abbau der Bestandsanlage erfolgen und der Abstand zwischen Bestands- und Neubau darf das fünffache (nicht mehr das zweifache) der Gesamthöhe der neuen Anlage betragen. Darin liegt freilich kein Freibrief für Repowering, denn Anforderungen des Baurechts sind auch hier zu prüfen (§ 16b IV BImSchG). Eine Standortverschiebung ist daher nur möglich, wenn auch am neuen Standort die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung gegeben sind. Ferner wird die Typenänderung nach Abs. 7 bei nur geringfügigen Änderungen stark erleichtert, da dann nur noch die Anforderungen nach Abs. 8 zu prüfen und nachzuweisen sind. Für geringfügige Typenänderungen wird außerdem eine Genehmigungsfiktion eingeführt, die sechs Wochen nach Antragstellung eintritt (§ 16b IX 1 BImSchG).
Die neue Rolle des Projektmanagers und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren
Schon früher war es möglich, im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren einen Projektmanager einzusetzen. In der Praxis wurde davon aber nicht häufig Gebrauch gemacht. Dies soll sich durch die Einführung von § 2b in der 9. BImSchV ändern. Danach soll die Genehmigungsbehörde in jeder Stufe des Verfahrens einen Dritten als Projektmanager auf Antrag oder mit Zustimmung des Vorhabenträgers und auf dessen Kosten mit der Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten beauftragen. Einen nicht abschließenden Aufgabenkatalog enthält § 2b der 9. BImSchV ebenfalls. Durch die Umsetzung der Regelung als „Soll-Vorschrift“ wird der Ermessensspielraum der Behörde hinsichtlich des Nichteinsatzes eines Projektmanagers beschränkt. Dies lässt sich durchaus als Ausgleich zu den deutlich gestrafften Bearbeitungsfristen der Genehmigungsbehörden sehen. Der Gesetzgeber verbindet damit offenbar die Hoffnung, dass Behörden – ähnlich wie im Fachplanungsrecht – Mangel an geeignetem Fachpersonal durch den Einsatz Dritter als Verwaltungshelfer wettmachen können.
Darüber hinaus wird neben einer Legaldefinition des Begriffs der „Vollständigkeit der Unterlagen“ auch eine Vollständigkeitsfiktion eingeführt. Nach § 7 I 4 der 9. BImSchV beginnt die Genehmigungsfrist nach § 10 VIa 1 BImSchG nun einen Monat ab Antragseinreichung, wenn die Frist nicht einmalig um zwei Wochen verlängert wurde oder die Behörde Unterlagen nachgefordert hat. Im letztgenannten Fall beginnt die Genehmigungsfrist mit der Nachreichung der erstmalig nachgeforderten Unterlagen. Die wiederholte Nachforderung von Unterlagen führte in der Praxis regelmäßig dazu, dass Verfahren trotz der vom Gesetzgeber vorgegebenen Entscheidungsfristen teilweise um Monate oder Jahre verzögert wurden. Durch die neue Vollständigkeitsfiktion kann das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren auch unabhängig von der tatsächlichen Vollständigkeit der Unterlagen beginnen, wenn die Behörde nicht reagiert. In Zukunft werden Genehmigungsbehörden daher die Vollständigkeitsprüfung priorisieren müssen, um Unterlagen rechtzeitig nachzufordern und möglichst viel Zeit für die inhaltliche Prüfung der Unterlagen zu haben.