„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Das Testierverbot des § 12 WTG a.F. bzw. § 14 HeimG – Wahrung oder unverhältnismäßige Einschränkung der Testierfreiheit der Bewohner?

Mit Urteil vom 26. Juni 2025 entschied das Verwaltungsgericht Berlin (14 K 1294/22), dass vom Testierverbot des § 12 I WTG a.F. keine Ausnahme mehr zugelassen werden könne, wenn der Leistungserbringer Kenntnis von der Zuwendung erhalten hat. Dies gilt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes auch dann, wenn die Aufsichtsbehörde die Umstände der Erbeinsetzung überprüft hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner die Aufrechterhaltung der Verbote nicht erfordert, da eine nachträgliche Genehmigung unmöglich sei.

Aber ist es wirklich so einfach?

Simpel ist zumindest der Sachverhalt: Der Bewohner eines Hospizes setzte dieses als Erben ein. Dessen Träger verständige das Landesamt für Gesundheit und Soziales als zuständige Aufsichtsbehörde und stellte einen Antrag auf Zulassung einer Ausnahme von dem in § 12 I 1 WTG a.F. normierten Testierverbot.

§ 12 I 1 WTG in der seinerzeit gültigen Fassung lautete:

Dem Leistungserbringer ist es untersagt, sich von oder zugunsten von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Nutzerinnen und Nutzern oder von Bewerberinnen und Bewerbern um den Abschluss eines Pflege- und Betreuungsvertrages Geld- oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren zu lassen, die über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinausgehen.

Die Ausnahmemöglichkeit war in § 12 III WTG a.F. normiert:

Die Aufsichtsbehörde kann auf Antrag eines Leistungserbringers in begründeten Einzelfällen Ausnahmen von den Verboten des Absatzes 1 Satz 1 und des Absatzes 2 Satz 1 zulassen, soweit der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner sowie der Nutzerinnen und Nutzer die Aufrechterhaltung der Verbote nicht erfordert und die Geld- oder geldwerten Leistungen noch nicht versprochen oder gewährt worden sind.

Zwei Mitarbeiter des Landesamtes trafen sich daraufhin mit dem Bewohner, um einen Eindruck von seinem Zustand zu gewinnen, ihn nach seinen Motiven sowie etwaiger unlauterer Willensbeeinflussung zu befragen und ihn über die Rechtslage aufzuklären. Hierbei konnte unter anderem festgestellt werden, dass der Bewohner das Altenheim freiwillig und ohne Einforderung oder Versprechen von Bevorzugungen als Erben eingesetzt hat, sodass die Ausnahmegenehmigung erteilt wurde.

Nach dem Tod des Bewohners machte das Landesamt allerdings – auf Veranlassung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung – eine Drehung um 180 Grad und nahm die Ausnahmegenehmigung mit – positiv formuliert – interessanter Begründung zurück: Obwohl die eigenen Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde den Bewohner befragt haben und jede Möglichkeit zu weiteren Ermittlungen hatten, sah es die Heimaufsicht nicht mehr als belegt an, dass die Arg- und Hilflosigkeit des Bewohners nicht ausgenutzt worden sei, hierfür sei der Träger des Hospizes nunmehr nachweispflichtig. Auch das Ergebnis ist zumindest bemerkenswert: Da keine weiteren gesetzlichen Erben des Bewohners im Zeitpunkt des Erbfalls existierten, würde der Nachlass dem Fiskus zufallen (§ 1936 S. 1 BGB).

Die gegen die Rücknahme gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Berlin ab, enthielt sich allerdings einer Bewertung der Argumentation des Landesamtes und begründete seine Entscheidung stattdessen damit, dass die Zuwendung zum Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung bereits „versprochen oder gewährt worden ist“.

Was auf den ersten Blick zu Verwunderung führt – immerhin hatte der Bewohner dem Heim zum Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung keine irgendwie geartete vorteilhafte Stellung verschafft –, liest sich nach einem zweiten Blick auf die Rechtsprechung gar nicht mehr so befremdlich. Denn tatsächlich ist es so, dass hiernach

  • Testamente in den Anwendungsbereich des § 12 I WTG (bzw. der bundesrechtlichen Norm § 14 HeimG) fallen, obwohl dieser auf zweiseitige Rechtsgeschäfte zugeschnitten ist,
  • hinsichtlich der Anwendbarkeit des Testierverbotes die Kenntnis und ein – auch aus dem Gesamtumständen ableitbares – Einverständnis des Bedachten für ausreichend gehalten und
  • die Möglichkeit „nachträglicher“ Genehmigungen abgelehnt wird.

Ein dritter, recht genauer Blick auf den Wortlaut, die Systematik, den Telos und die Intention des Gesetzgebers verrät allerdings, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bis zum Tod des Bewohners oder seiner Testierunfähigkeit möglich ist. Dies haben wir in unserer Berufungsbegründung ausführlich dargelegt und sind nun gespannt darauf, wie das Oberverwaltungsgericht in der Sache entscheidet.