„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Haftungsfalle für Umweltgutachter

Das Umweltschadensgesetz verpflichtet die Verantwortlichen im Sinne des Gesetzes beim Eintritt von Umweltschäden oder der Gefahr solcher Schäden zur Information, Vermeidung und Sanierung. Umweltschäden können u.a. Schäden an Arten und Lebensräumen im Sinne des § 19 BNatSchG sein. Insoweit besteht für die in Anlage 1 des Umweltschadensgesetzes (USchadG) aufgeführten Tätigkeiten eine Gefährdungshaftung, bei allen übrigen Tätigkeiten kann eine umweltschadensrechtliche Verantwortlichkeit jedoch lediglich dann ausgelöst werden, wenn vorsätzlich oder fahrlässig der Schaden herbeigeführt wurde.

Im Verfahren – 7 C 29.15 – hatte sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage zu befassen, ob einem Anlagenbetreiber, der bei der Erweiterung seines Betriebs möglicherweise einen Umweltschaden ausgelöst hat, auch dann ein Verschulden treffen kann, wenn er ein entsprechend qualifiziertes Gutachterbüro mit der Prüfung beauftragt hat. Mit Urteil vom 21. September 2017 hielt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Begriffe „Vorsatz“ und „Fahrlässigkeit“ hier ebenso auszulegen sind wie im Zivilrecht. Dies zugrunde gelegt konnte im vorliegenden Fall nach den im Revisionsverfahren – und um ein solches handelte es sich – maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanz keine Sorgfaltspflichtverletzung des Anlagenbetreibers erkannt werden. Dieser konnte sich auf die ihm erteilten Genehmigungen und die von ihm eingeholten Gutachten verlassen. Auf die Rechtmäßigkeit des Handelns komme es dabei nicht entscheidend an. Umgekehrt schließe der Umstand des Vorliegens einer Genehmigung die Annahme eines Verschuldens nicht generell aus. Soweit der Betroffene auf Aussagen eines Gutachters vertraut hat, fehle es jedoch an einem eigenen Verschulden, wenn der Gutachter eigenverantwortlich und nicht weisungsgebunden gehandelt hat.

In diesen Fällen komme allenfalls eine Zurechnung fremden Verschuldens, nämlich das des Gutachters, in Betracht. Hierfür fehle es aber an einer entsprechenden Rechtsvorschrift. Eine dem § 278 BGB vergleichbare Vorschrift enthält das Umweltschadensrecht gerade nicht. Fragen der Zurechnung seien hier vielmehr auf der Ebene der Bestimmung der Person des Verantwortlichen verortet. Unionsrechtliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Ansicht bestünden nicht, sodass auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht angezeigt sei.

Es handelt sich um die – soweit ersichtlich – erste Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Umweltschadensrecht. Füßer & Kollegen hatten die Ehre, das Verfahren durch alle Instanzen auf Seiten des betroffenen Anlagenbetreibers und zuletzt auch des Beklagten zu betreiben. Damit ist die Frage des umweltschadensrechtlichen Verschuldensmaßstabs und der (fehlenden) Zurechenbarkeit von Verschulden höchstrichterlich geklärt.

Zugleich impliziert der Verweis von Zurechnungsfragen auf den Begriff des Verantwortlichen gerade auch im Zusammenhang mit der Einschaltung unabhängiger Gutachter, dass gegebenenfalls der Gutachter selbst zum umweltschadensrechtlich Verantwortlichen werden kann. Verursacht dieser über den unmittelbaren Verursacher kraft überlegenen Wissens entsprechend der Figur des Zweckveranlassers schuldhaft einen Umweltschaden, haftet wohl er. Wegen des fehlenden Zugriffs des Gutachters auf das Eingriffsgrundstück wird dann zwar regelmäßig die an sich vorrangig geschuldete primäre Sanierung ausscheiden, doch kann die zuständige Behörde dem Gutachter dann zwecks Ergreifung von Maßnahmen der sekundären Sanierung und der Ausgleichssanierung aufgeben, ein entsprechendes Konzept hierzu auszuarbeiten und dann auch umzusetzen, einschließlich der Obliegenheit zum Erwerb benötigter Flächen. Dies birgt ein erhebliches Haftungspotenzial. Die Zeit von Gefälligkeitsgutachten dürfte folglich spätestens mit der höchstrichterlichen Erörterung dieses Falles ein Ende gefunden haben (die nie ganz auszuschließenden Ausreißer natürlich ausgenommen). Im entschiedenen Fall hätte aus unserer Sicht indes selbst dann kein Anlass zum behördlichen Einschreiten bestanden, wenn sich der Kläger mit dem Begehren des Einschreitens (auch) gegen das beauftragte Gutachterbüro an die Behörde gewandt hätte, da hier kein Gefälligkeitsgutachten erstellt worden ist. Über fachliche Meinungen kann man sich natürlich trefflich streiten. Eine umweltschadensrechtliche Verantwortlichkeit wird insoweit jedoch erst ausgelöst, wenn von anerkannten fachlichen Standards abgewichen wurde bzw. der gutachterlich eingenommene Standpunkt unvertretbar gewesen ist.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts können Sie hier abrufen.