„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Sächsische Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23. Januar 2003 – 1 B 1/03 (VG Leipzig, Beschluss vom 3. Januar 2003 – 7 K 9/03)

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit seinem Beschluss vom 23. Januar 2003 die Fällung von ca. 10.000 Bäumen und Sträuchern auf Deichen und deren Schutzstreifen im Landschaftsschutzgebiet „Leipziger Auwald“ sowie den Naturschutzgebieten „Burgaue“ und „Elster- und Pleiße-Auewald“ untersagt. Es kassierte damit die dies gestattende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 3. Januar 2003.

Der Senat stellte klar, dass Hochwasserschutz – jedenfalls in geschützten Gebieten – nicht um jeden Preis bzw. in „John-Wayne-Manier“ zu haben ist. Auch ein wichtiger Allgemeinwohlbelang wie der Schutz vor Hochwassergefahren muss in seinem Verhältnis zu konfligierenden Belangen in rechtsstaatlichen Verfahren jeweils im Einzelfall konkret austariert werden. Wenn die für den Gewässerzustand bzw. Wasserhaushalt relevante Maßnahme an Hochwasserdeichen – wie im entschiedenen Fall – nennenswerte Auswirkungen auf die ökologischen Verhältnisse erwarten lässt, liegen planfeststellungspflichtige wasserrechtliche Ausbaumaßnahmen vor. Dass auf Deichen Baumbestand gesetzlich verboten ist, steht dem ebensowenig entgegen wie der allgemeine Wille zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. Aber auch bei geringer dimensionierten Vorhaben – dem Vernehmen nach sind ähnliche Abholzungsaktionen an Hochwasserdeichen auch in anderen Regionen geplant – sind die jeweiligen staatlichen Stellen gut beraten, sich der vorhandenen förmlichen naturschutzrechtlichen Instrumente verantwortungsvoll zu bedienen. Unterhalb der Schwelle der Planfeststellungsbedürftigkeit werden in der Regel zumindest naturschutzrechtliche Befreiungsverfahren durchgeführt werden müssen.

Die Bemühungen um den Hochwasserschutz werden durch den Beschluss des Sächsischen OVG nur auf den ersten Blick zurückgeworfen. Das Gericht hat lediglich eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit eingefordert: Es bedarf transparenter Entscheidungen in den gesetzlich vorgesehenen Verfahren unter gerechter Abwägung der widerstreitenden Belange. Dass hinsichtlich der Justitiabilität dieser Entscheidungen auch für die Naturschutzvereine „die Bäume nicht in den Himmel wachsen“, folgt aus der in dem Beschluss zunächst nur angedeuteten Einschränkung des altruistischen Vereinsklagerechts durch die potentielle Abwägungserheblichkeit der naturschutzrelevanten Einwendungen.

Eine Anmerkung von RA Roman Götze zum Beschluss des Sächsischen OVG finden Sie im Heft 3/ 2003 der Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR).

Den Beschluss im genauen Wortlaut können Sie sich hier als pdf-Datei herunterladen (Größe ca. 3 MB).

Außerdem finden Sie einen Bericht in der Leipziger Volkszeitung vom 24. Januar 2003.