„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Straßenausbaubeiträge in Leipzig: Beitragserhebung für „Alte Tauchaer Straße“ rechtswidrig

Die Streitigkeiten um Straßenausbaubeiträge in Leipzig bleiben spannend. Im Sommer 2013 berichtete die Bild-Zeitung beispielsweise von einer Klage der Universität Leipzig gegen die Erhebung eines Beitrages in Höhe von 557.000 Euro für den Ausbau der Grimmaischen Straße im Stadtzentrum.

Der Erfolg von derartigen Klagen ist jedoch höchst unterschiedlich, ein voller Erfolg von Anliegern ist eher die Ausnahme. Insbesondere kann davon ausgegangen werden, dass die Straßenausbaubeitragssatzung der Stadt Leipzig in den wesentlichen Punkten rechtmäßig ist. Dazu und zu anderen Fragen hat Rechtsanwalt Dr. Sven Kreuter bereits am 24. Mai 2011 in der Leipziger Volkszeitung ein ausführliches Interview gegeben. Klagen gegen Bescheide über Straßenausbaubeiträge können aber ungeachtet der Wirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung nach wie vor Aussicht auf Erfolg haben. Mögliche Angriffspunkte sind insbesondere fehlerhafte Abschnittsbildungen, eine fehlerhafte Bemessung des Anliegeranteils und die Berechnung der Beitragshöhe im Einzelfall.

So hat das Verwaltungsgericht Leipzig beispielsweise in einem von Füßer & Kollegen geführten Verfahren durch Urteil vom 18. November 2008 einen Straßenausbaubeitragsbescheid der Stadt Leipzig aus dem Jahr 2004 wegen fehlerhafter Abschnittsbildung in Gänze aufgehoben. Da der von der Stadt Leipzig in diesem Fall gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht Bautzen mit Beschluss vom 20. Mai 2010 zurückgewiesen wurde, musste die Stadt Leipzig dem Anlieger den Beitrag zuzüglich Zinsen in Höhe von 6 % p.a. für fast 5 Jahre und die Verfahrenskosten erstatten.

Hinsichtlich der Höhe des Anliegeranteils hatte das Verwaltungsgericht Leipzig zuletzt wegen der Größe der Stadt Leipzig den Begriff der Haupterschließungsstraße eng ausgelegt und damit (zu Lasten von Anliegern) eher den Anliegerstraßen den Vorzug gegeben. So sollten die Anlieger der Ratsfreischulstraße und der Burgstraße im Leipziger Stadtzentrum 75 % der Kosten des Straßenausbaus tragen, weil es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts um eine Anliegerstraße handelte.  Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hatte mit Beschluss vom 20. Februar 2013 (– 5  A 541/10 –) in diesem Fall die Berufung der Kläger zugelassen und dann mit Urteil vom 19. Februar 2014 (– 5 A 199/13 –) der Klage teilweise stattgegeben. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts handelte es sich um eine Haupterschließungsstraße, bei deren Ausbau die Anlieger nur 50 % der Kosten tragen müssen. Maßgeblich hierfür war die Erwägung, dass der auf diesen Straßen stattfindende Liefer-, Kraftfahrzeug-, Fußgänger- und Fahrradverkehr die relativ kurzen Straßen im Stadtzentrum zu einem großen Teil nur als Durchgangsweg zu weiteren Zielen aus bzw. ins Stadtzentrum benutzt. Die von der Stadt Leipzig gegen dieses Urteil beim Bundesverwaltungsgericht erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. September 2014 (– 9 B 48/14 –) mit wenigen, dafür aber umso deutlicheren Worten erwartungsgemäß zurückgewiesen.

In erster Instanz erfolglos blieben die eingangs erwähnten Klagen der Universität Leipzig, sie wurden mit Urteil vom 17. Juni 2014 abgewiesen. Die Universität Leipzig hat sich daraufhin entschieden, Rechtsmittel einzulegen und mit der weiteren Vertretung Füßer & Kollegen zu  beauftragen. Wir haben daraufhin mit einem ausführlichen Schriftsatz den Antrag auf Zulassung der Berufung beim Sächsischen Oberveraltungsgericht begründet. Inhaltlich geht es in dem Rechtsstreit beispielsweise um die Frage, ob die auf dem Universitätsgrundstück vorhandenen Fahrradkeller eine Tiefgarage im Sinne der Straßenausbaubeitragssatzung der Stadt Leipzig darstellen mit der Folge, dass ein ganzes Kellergeschoss für die Beitragsberechnung anzusetzen ist. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage in erster Instanz – u.E. zu Unrecht – bejaht. Sollte dem so sein, müssten in Leipzig künftig alle Fahrradkeller in die Beitragsberechnung einbezogen werden. Außerdem wird es darum gehen, ob der Verteilungsschlüssel der Straßenausbaubeitragssatzung unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Leipziger Innenstadt überhaupt eine angemessene Verteilung der Beitragslast auf die Grundstückseigentümer ermöglicht. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat im November 2015 die Berufung der Universität Leipzig gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Leipzig wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen. Die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung wird nun im Berufungsverfahren umfassend geprüft.

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat im Übrigen mit Urteil vom 31. März 2016 (Az. 5 A 99/14) Grundfragen zur Abschnittsbildung bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen geklärt. Danach kann eine Beitragserhebung für einen Teilstreckenausbau nur erfolgen, wenn es sich um einen – bezogen auf die Länge – untergeordneten Teil der Verkehrsanlage handelt und ein Abschnittsbildungsbeschluss vorliegt. Wird im Vergleich zur Gesamtlänge einer Straße ein erheblicher und prägender Teil ausgebaut, bedarf es zwar keines Abschnittsbildungsbeschlusses mehr. Dafür ist der beitragsfähige Aufwand dann auf alle an der Straße anliegenden Grundstücke zu verteilen. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht Leipzig mit Urteil vom 24. Mai 2017 in einem von Füßer & Kollegen betriebenen Klageverfahren einen Straßenausbaubeitragsbescheid für die Alte Tauchaer Straße in Leipzig aufgehoben und dies mit der Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung begründet.  Anlieger dieser Straße, welche ihren Beitragsbescheid angefochten haben, können deshalb auf die vollständige Erstattung ihrer Beiträge hoffen. Die Stadt Leipzig kann allerdings noch einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht stellen. Rechtsanwalt Dr. Sven Kreuter, der den Fall vertreten hat, räumt dem aber keine Chancen ein, da das Verwaltungsgericht in erster Instanz gerade die aktuelle Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts zu Grunde gelegt hat.

Mit Beschluss vom 10. November 2017 hat das Verwaltungsgericht Leipzig auch die Beitragserhebung für den Ausbau der Prager Straße von der Tabaksmühle bis zur Franzosenallee für rechtswidrig erachtet und einem von Füßer & Kollegen vertretenen Anlieger vorläufigen Rechtsschutz gewährt. Die Stadt Leipzig hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt, über die nun das Sächsische Oberverwaltungsgericht entscheiden muss.

Zum Download stellen wir Ihnen zur Verfügung:

anonymisiertes Urteil des Verwaltungsgerichts vom 18. November 2008

Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2010

Presseinformation zum Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 18. November 2008 und dem Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. Mai 2010

Anonymisiertes Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 7. April 2014 (zur Kirschbergstraße)

 

Presse:

  • Interview von Rechtsanwalt Sven Kreuter mit der Leipziger Volkszeitung (LVZ-Artikel) vom 24. Mai 2011, S. 16
  • LVZ-Artikel vom 14. Juli 2010