Kaum in Kraft getreten, sieht sich das neue Sächsische Wassergesetz schon verfassungsgerichtlichen Angriffen gegenüber. Grund hierfür ist § 91 Abs. 6 des seit 8. August 2013 geltenden neuen Sächsischen Wassergesetzes. Danach müssen die Betreiber von Wasserkraftanlagen zwischen 15 und 25 % der jährlich von ihnen real oder fiktiv erwirtschafteten EEG-Einspeisevergütungen als Wasserentnahmeabgabe an den Freistaat abführen.
Gegen diese Vorschrift hat die von uns vertretene Libelle Wasserkraft und Vermietung GmbH am 16. August 2013 sowohl zum Bundesverfassungsgericht als auch zum Sächsischen Verfassungsgerichtshof Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Libelle Wasserkraft und Vermietung GmbH betreibt die traditionsreiche, bereits seit dem 13. Jahrhundert existierende Wasserkraftanlage „Schlossmühle Rochlitz“. Seit der Übernahme der Anlage kurz nach der Wiedervereinigung hat sie mehr als 3 Mio. Euro in die Anlage investiert. Mit der neuen Wasserkraftabgabe würde der Freistaat mehr als die Hälfte ihres Gewinns einstreichen, die Abschreibungen für Investitionen noch nicht einmal mitgerechnet und ganz zu schweigen von den seit dem jüngsten Extremhochwasser erforderlichen sehr kostspieligen Reparaturen.
Dabei ist unsere Mandantin kein Einzelfall. Die Situation stellt sich im Freistaat Sachsen eben anders dar als in Baden-Württemberg und Bayern, wo die großen ertragreichen Wasserkraftanlagen stehen. Nichtsdestoweniger leisten auch die sächsischen Wasserkraftanlagen einen wertvollen Beitrag am Energiemix. Jedes Jahr erspart die Wasserkraftnutzung in Sachsen die Verstromung von mehr als 500.000 t Braunkohle. Wie sich den Stellungnahmen des Verbandes der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. sowie des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke und des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft entnehmen lässt (siehe hier), wird die neue Wasserkraftabgabe zahlreiche sächsische Wasserkraftanlagenbetreiber dazu zwingen, über kurz oder lang das Handtuch zu werfen. Die meisten sächsischen Anlagenbetreiber sind mittelständige Unternehmen. Kein mittelständiger Betrieb könne eine Ertragseinbuße von 15 bis zu 25 % ohne Weiteres verkraften, heißt es dort.
Die Mehrheit der sächsischen Landtagsabgeordneten hat das jedoch wenig beeindruckt. Die Regelung setze lediglich entsprechende Vorgaben aus Brüssel um, wird verlautbart. Dr. Lau, der intern für die Verfassungsbeschwerden verantwortlich zeichnet, hält dies nicht für stichhaltig:
„Richtig ist, dass die EU-Wasserrahmenrichtlinie die Mitgliedstaaten dazu anhält, auch mit den Mitteln des Abgabenrechts der Beeinträchtigung von Wasser und Gewässern entgegenzuwirken. Eine Pflicht, die Wasserkraftnutzung in der Art mit einer Abgabe zu belasten, wie das jetzt in Sachsen geschehen ist, folgt daraus jedoch beim besten Willen nicht. Außerdem muss sich der sächsische Gesetzgeber fragen lassen, warum ausgerechnet die Wasserkraftnutzung mit einer solch erdrosselnden Abgabe belegt werden muss, während andere Gewässerbenutzer mit erheblich höherem Störungspotenzial nach wie vor komplett geschont werden, wie z. B. der Bergbau.“
Mit Spannung wird jetzt nicht nur seitens unserer Mandantin das – freilich voraussichtlich noch einige Zeit dauernde – Echo aus Karlsruhe bzw. Leipzig erwartet. Der Fall dürfte durchaus das Interesse der Verfassungsrichter wecken. Mit der Bußgeldvorschrift des § 122 Abs. 1 Nr. 21 SächsWG und den sich direkt aus dem Gesetz ergebenden Abgabeerklärungspflichten hat der sächsischen Gesetzgeben eine Chance geliefert, sich direkt an die Verfassungsgerichte zu wenden, so dass nicht erst entsprechende Abgabenbescheide abgewartet und der Weg durch die Instanzen beschritten werden muss.
Inhaltlich hat der sächsische Gesetzgeber sowohl hinsichtlich der Berufsfreiheit als auch hinsichtlich des Eigentumsgrundrechts wenig Augenmaß bewiesen. Indem er sich aus dem Kreis der bislang abgabebefreiten Gewässerbenutzer ausgerechnet die Wasserkraftanlagenbetreiber herausgepickt und die Heterogenität der Wasserkraftnutzung praktisch nicht gewürdigt hat, bestehen zudem erhebliche Bedenken in Bezug auf den Gleichheitssatz. Außerdem ist dem sächsischen Gesetzgeber keine ausreichend klare Abgrenzung zur Ertragsbesteuerung gelungen. Nicht zu vergessen ist schließlich, dass die Wasserkraftabgabe das berechtigte Vertrauen der Wasserkraftanlagenbetreiber in den ihnen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz eingeräumten Anspruch auf eine bestimmte Mindestvergütung für einen Zeitraum von – je nach Anlage und Inbetriebnahmezeitpunkt – 15, 20 oder 30 Jahren enttäuscht. In der Vergangenheit getroffene weitreichende Investitionsentscheidungen werden so nachträglich ihrer Grundlage beraubt. Das ist umso kritischer, als die Wasserkraft, und zwar ausdrücklich auch die kleine Wasserkraft, nach dem Willen des für das Energiewirtschaftsrecht zuständigen Bundesgesetzgebers gerade gefördert und nicht eingedämmt werden soll. Wenn der sächsische Gesetzgeber meint, den Bund schulmeistern zu müssen, dieser hätte die ökologischen Auswirkungen des Ausbaus der Wasserkraftnutzung nicht berücksichtigt, was nun mit der Wasserkraftabgabe korrigiert werde, sei ein Blick in die Gesetzgebungsmaterialien zum Erneuerbare-Energien-Gesetz empfohlen. Landesabgabengesetze sind in der Vergangenheit schon für weniger vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden.
Als Hintergrundinformationen stellen wir Ihnen zur Verfügung:
- Pressemitteilung des Verbandes der Wasserkraftanlagenbetreiber Sachsen und Sachsen-Anhalt e. V. vom 22. August 2013
- Freie Presse-Artikel vom 1. September 2013
- Artikel in Solarthemen Nr. 406 vom 29. August 2013, S. 3
- LVZ-Artikel vom 22. August 2013 zu Wasserentnahmeabgabe