Schon am 20. Juni 2013 wurde an dieser Stelle darüber informiert, dass das Bürgerbegehren „Privatisierungsbremse“, mit dem eine Bürgerinitiative erreichen wollte, dass Privatisierungen städtischen Eigentums in Leipzig künftig nur noch mit einer Zweidrittelmehrheit des Stadtrates zulässig sein sollten, nach Auffassung von Rechtsanwalt Dr. Sven Kreuter rechtswidrig ist. Die Leipziger Internetzeitung (L-IZ) hatte aus diesem Anlass auch über die hier formulierten Bedenken gegen das Bürgerbegehren berichtet. Im August 2013 haben wir dazu eine ausführliche juristische Bewertung des Bürgerbegehrens auf dieser Seite zur Verfügung gestellt (siehe unten). Rechtsanwalt Dr. Kreuter hat diese Bewertung allein aufgrund seines juristischen und politischen Interesses erarbeitet, einen Auftrag Dritter hierfür gab es nicht.
Die notwendige Zahl von Unterschriften hat das Bürgerbegehren zwar erreicht. Die Stadtverwaltung teilte den Initiatoren aber am 8. November 2013 unter anderem unter Berufung auf das Sächsische Staatsministerium des Innern (SMI) mit, dass das Bürgerbegehren unzulässig ist. Dieser Rechtsauffassung folgte schließlich auch die Mehrheit des Leipziger Stadtrates in der Sitzung vom 23. Januar 2014. Damit war das Bürgerbegehren gescheitert. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens haben dagegen zwar Klage erhoben, für die es aber nach Auffassung von Rechtsanwalt Dr. Kreuter von vornherein keine Erfolgsaussichten gab:
„Die Auffassung des SMI, wonach das Bürgerbegehren zu einem Verstoß gegen die zwingende Regelung zum Mehrheitsbeschluss nach § 39 VI 2 SächsGemO führen wird, ist zutreffend. Hinzu kommen noch mehrere andere Gründe, die jeder für sich zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens führen. Der Stadtverwaltung und dem Stadtrat lässt sich kein Vorwurf machen, denn sie müssen die Einhaltung von Recht und Gesetz auch dann sicherstellen, wenn der mutmaßliche Bürgerwillen in eine andere Richtung geht. Für all diejenigen, die unter großem Zeiteinsatz und im Vertrauen auf die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Unterschriften gesammelt bzw. unterschrieben haben, ist das natürlich mehr als ärgerlich. Verantwortlich dafür sind aber allein die Initiatoren des Bürgerbegehrens, die sich offensichtlich allein auf Signale aus der Landesdirektion verlassen haben. Ein zulässiges Bürgerbegehren auf den Weg zu bringen, ist jedoch wegen der bestehenden juristischen Fallstricke oftmals nicht einfach und sollte deshalb nur unter Einbeziehung von qualifiziertem juristischen Sachverstand erfolgen.“
Mittlerweile sind auch interessante Details zur Entstehung des Bürgerbegehrens bekannt geworden: So hatte man seitens der Initiatoren in einer frühen Phase offensichtlich auch mit der Ratsfraktion bzw. dem Stadtverband von Bündnis90/Die Grünen über das Bürgerbegehren gesprochen und war dort auch ausdrücklich auf die rechtlichen Bedenken gegen das Bürgerbegehren hingewiesen worden; das behauptet zumindest der Stadtrat Ingo Sasama von Bündnis90/Die Grünen. Darüber hinaus hat die Antwort des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 20. Dezember 2013 auf eine Anfrage eines Landtagsabgeordneten der Partei Die Linke nun bestätigt, dass die Landesdirektion tatsächlich Ende 2012 die Rechtsauffassung vertreten hat, das Bürgerbegehren sei in der gewählten Form zulässig. Gerade in einer solchen unübersichtlichen Situation hätten sich die Initiatoren nicht allein auf die (zunächst geäußerte) Meinung der Landesdirektion verlassen dürfen.
Am 22. September 2014 hat auch die Landesdirektion Sachsen den Widerspruch der Initiatoren gegen die Entscheidung des Stadtrates zurückgewiesen. Dagegen wurde am 23. Oktober 2014 Klage beim Verwaltungsgericht Leipzig erhoben, die vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. November 2015 (– 6 K 2084/14 –) abgewiesen wurde. Zur Begründung stützte sich das Gericht darauf, dass das Bürgerbegehren gegen die Regelungen der Gemeindeordnung zur Mehrheit bei Beschlüssen verstoße und einen unzulässigen Vorratsbeschluss darstelle. Dies entspricht den Gründen, die Rechtsanwalt Dr. Sven Kreuter auch schon in seiner juristischen Bewertung aus dem Jahr 2013 dargestellt hat.
Der gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 30. Mai 2016 (Az. 4 A 663/15) zurückgewiesen, womit das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wurde. Zur Begründung führte das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass ein Bürgerbegehren nicht auf ungewisse zukünftige Sachverhalte gerichtet werden können, deren konkrete Umstände noch nicht absehbar seien (hier: mögliche Einzelfälle einer Privatisierung).
Als Hintergrundinformationen verweisen wir auf:
- Pressemitteilung RA Dr. Kreuter vom 20. Juni 2013
- Ausführliche juristische Bewertung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens
- L-IZ Artikel v. 22. Juli 2013
- L-IZ Artikel v. 8. November 2013
- LVZ Artikel v. 8. November 2013 (Printausgabe 9. November 2013)
- L-IZ Artikel v. 22. Januar 2014 zur Entscheidung des Stadtrates
- LVZ Artikel v. 23. Januar 2014 zur Entscheidung des Stadtrates
- L-IZ Artikel v. 23. Januar 2014 Zur Entscheidung des Stadtrates
- Interview von Sören Pellmann (Die Linke) in der Jungen Welt v. 24. Januar 2014
- Beschluss des Stadtrates vom 22. Januar 2014 zur Ablehnung des Bürgerbegehrens und Begründung zur Vorlage
- Pressmitteilung der Landesdirektion Leipzig zur Zurückweisung des Widerspruchs der Initiatoren des Bürgerbegehrens
- Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 11. November 2015
- Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. Mai 2016