Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 2017 (‑ 5 C 19.16) ging es vordergründig um das Thema Kostenerstattung für selbst beschaffte Leistungen, zugleich aber auch die Einbindung der Träger der freien Jugendhilfe in der gesetzeskonformen Erfüllung der Kinder- und Jugendhilfeaufgaben. Denn im Rahmen der Revision gegen das Urteil des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Juli 2016 hatte der 5. Senat darüber zu entscheiden, ob dann, wenn der Träger der Jugendhilfe es nicht schafft, dem zu fördernden Kind den begehrten Platz zu verschaffen, ein umfassender Anspruch auf die Erstattung der für die Selbstbeschaffung aufgewendeten – hier im Vergleich zu dem begehrten Platz deutlich höheren – Kosten bestehe. In dem zu entscheidenden Fall hatten die Eltern den Bedarf für einen Betreuungsplatz beim Jugendamt der Landeshauptstadt München angemeldet, sich dann letztlich selbst einen Platz in einer von einem privaten Träger betriebenen sehr preisintensiven Einrichtung besorgt und hierfür von der Stadt die Mehrkosten gegenüber den im Falle der Betreuung in einer städtischen Einrichtung anfallenden Kosten beansprucht.
Während die Vorinstanz einen umfassenden Aufwendungsersatz in analoger Anwendung des § 36 III 1 SGB VIII zugebilligt hatte, sah sich der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts zu Klarstellungen und Korrekturen veranlasst:
Eine für die Entscheidung insgesamt sehr bedeutsame Klarstellung sei vorangestellt, zumal sie auch für das – für manche: überraschende – Endergebnis von zentraler Bedeutung ist: Bundesrecht selbst – m.a.W.: das SGB VIII – regelt nicht, zu welchen finanziellen Konditionen im Einzelnen frühkindliche Betreuung zur Verfügung zu stellen ist (vgl. § 90 I SGB VIII). Das insofern „Kleingedruckte“ regeln die Länder bzw. nach dem jeweiligen Landesrecht die Träger der Jugendhilfe oder die einzelnen Kommunen in eigener Verantwortung, wobei rein bundesrechtlich von einem Wohlfühlpaket mit einer (wie in Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz) komplett (oder – wie z.B. in Niedersachsen – im letzten Kindergartenjahr) kostenfreier Vollbetreuung bis zu einer Heranziehung der Eltern zu den Vollkosten der gewährten Betreuung (mit den gesamten Sach- und Personalkosten in dann monatlich bis zu knapp vierstelliger Höhe pro Platz) alles denkbar ist (; praktisch sorgen natürlich schon die vom Bund aufgelegten Fördermittelprogramme für den Bau von Kitas für erhebliche Kostendämpfungen). Als äußerste bundesrechtliche Grenze gilt insofern alleine die in § 90 III SGB VIII enthaltene zwingende Vorgabe, das der Träger der Jugendhilfe die Kosten für die Förderung ganz oder teilweise übernehmen soll, soweit die finanzielle Belastung den – jeweiligen, es geht also um eine individuelle Betrachtung der Einzelfälle (!) ‑ Eltern unzumutbar ist.
Ansonsten hielt der Senat jedoch grundsätzlich an seiner Entscheidung vom 12. September 2013 (BVerwG, Urt. v. 12.9.2013 – 5 C 35/12, juris, Rn. 17 bis 38) fest, in welcher er sich für die entsprechende Anwendung des § 36a III 1 SGB VIII ausgesprochen und damit einen entsprechenden Aufwendungsersatzanspruch bei selbstbeschaffter Kinderbetreuung für möglich gehalten hatte.
Auch wenn es darauf letztlich nicht ankam, folgte er zudem und anders als der Bayrischen Verwaltungsgerichtshof der u.a. schon von Füßer in zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen vertretenen Linie, dass
„[…] § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII keinen „echten Alternativanspruch“ des Inhalts [begründet], dass das Kind von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht auf die Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes in der Kindertagespflege verwiesen werden kann, sofern Plätze in einer Tageseinrichtung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen, und umgekehrt. […] Ebenso wenig vermittelt § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ein kapazitätsunabhängiges subjektives Recht, zwischen frühkindlicher Förderung in öffentlich-rechtlicher oder in freier Trägerschaft zu wählen. [Auslassungen durch uns, Füßer & Kollegen]
Bei der Beurteilung, wie lang ein Kind in der Kita betreut werden kann und sollte, nimmt der Senat hingegen zutreffend die Belange der Eltern in den Blick. Immerhin war seit jeher mit dem Rechtsanspruch die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben bezweckt, was letztlich dazu führen muss, dass die Eltern den erforderlichen Betreuungsbedarf selbst festlegen können. Freilich findet dieses Bestimmungsrecht ihre Grenze dort, wohl außerfamiliäre Betreuung ein Maß annimmt, dass dem Wohl des Kindes nicht mehr entspricht. Zu fragen bleibt jedoch, ob der Träger der Jugendhilfe dann nicht auch dafür Sorge tragen muss, dass – jedenfalls vereinzelte – Kitas oder Tagespflegepersonen den Bedarf von Schichten abdecken, hier ggf. Öffnungszeiten jenseits von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr anzubieten wären. Zurückhaltend sind demgegenüber die Ausführungen zur räumlichen Zumutbarkeit. Hiermit tat sich der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung schwer, merkte an, dass es hierzu im Bundesrecht an einer ausdrücklichen Regelung fehle. Es erscheine jedoch in Übereinstimmung mit der herrschenden Literatur und Rechtsprechung naheliegend auf die Zumutbarkeit abzustellen, wobei die konkrete Bewertung der Zumutbarkeit eine Frage des Einzelfalls sei und keine des Bundesrechts. Insoweit findet sich im Urteil auch kein Anhalt dafür, wann der Weg zu weit oder der zeitliche Aufwand zu viel ist. Anders als das VG Leipzig (Urt. v. 5.5.2015 ‑ 5 L 5/15) hält der Senat jedoch auch die Belange der Erziehungsberechtigten für maßgebend, sodass in die Betrachtung nunmehr auch die Entfernung von/zur Arbeitsstätte des primär betreuenden Elternteils einzubeziehen ist.
Ebenso wie der VGH München und z.B. das OVG Bautzen (SächsOVG, Beschl. v. 7.6.2017 – 4 B 100/17, juris, Rn. 7 f., siehe hierzu) sieht das Bundesverwaltungsgericht den jeweils zuständigen öffentlichen Träger der Jugendhilfe in der Pflicht, dem anspruchsberechtigten Kind auf eine hinreichend qualifizierte Bedarfsanmeldung bei ihm (dazu instruktiv Urteil Rn. 51 ff.) einen entsprechenden Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen. So führt der Senat aus:
„Der Anspruch gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII auf Nachweis eines Angebots zur frühkindlichen Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege […] ist erfüllt, wenn dem anspruchsberechtigten Kind ein kommunaler oder öffentlich geförderter privater Betreuungsplatz nachgewiesen wird. […] § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII verschafft Kindern, die das erste Lebensjahr vollendet haben, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geförderten Betreuungsverhältnisses […]. Mithin werden Betreuungseinrichtungen in privater Trägerschaft von dem Anspruch nur erfasst, wenn sie öffentlich gefördert sind.“ [Hervorhebungen und Auslassungen durch uns, Füßer & Kollegen]
Auch wenn es bei frühkindlicher Betreuung nach § 24 SGB VIII um eine Sozialleistung geht, für deren Gewährung grundsätzlich die allgemeinen Regeln des Sozialleistungsverwaltungsrecht gelten (§ 37 SGB I), spricht das Bundesverwaltungsgericht nicht von der geschuldeten „Zuweisung“ oder „Zuteilung“ eines Platzes in einer Kita oder bei einer Tagespflegeperson. Hintergrund dieser Formulierung dürfte neben der Tatsache, dass ein entsprechend förmlich-verwaltungsverfahrensmäßiges Vorgehen mit dem Erlass von Bescheiden im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ohnehin eher die vermiedene Ausnahme ist, der Umstand sein, dass die Träger der Jugendhilfe regelmäßig selbst keine entsprechenden Tagespflegepersonen beschäftigen bzw. Einrichtungen betreiben (; anders ist es nur bei kreisfreien Städten, die selbst als Gemeinde häufig auch noch Träger von Kitas sind). Kraft Bundesrecht (SGB VIII) trifft ihn insofern aber eine doppelte Verantwortung: Im Rahmen seiner Gewährleistungsverantwortung (§ 79 I SGB VIII) muss er – erstens ‑ dafür sorgen, dass zur Erfüllung des Anspruchs auf frühkindliche Förderung für alle Anspruchsberechtigten in hinreichender Nähe ein auch zeitlich ausreichendes Platzangebot zur Verfügung steht; nach den einschlägigen bundesrechtlichen Vorschriften erledigt der Träger der Jugendhilfe dies dadurch, dass er eine Bedarfsplanung vornimmt (§ 80 SGB VIII). Aufgrund seiner Zuständigkeit für die Bearbeitung der Bedarfsanmeldungen muss er sodann ‑ zweitens ‑ bewerkstelligen, dass jedes anspruchsberechtigte Kind auch zu einem für ihn passenden Platz kommt, egal ob es sich um eine Einrichtung in der Trägerschaft einer Kommune oder eines privaten Trägers handelt. M.a.W.: Weder kann noch muss der Träger der Jugendhilfe den Platz also selbst zur Verfügung stellen. Soweit das Gericht insofern von der Pflicht des Trägers der Jugendhilfe zum „Nachweis eines Angebots“ spricht, zielt dies erkennbar auf eine Formulierung, die für die verschiedenen Varianten der Organisation der Anspruchserfüllung offen ist, sei es in Gestalt eines mit dem betreffenden öffentlichen oder privaten Trägers oder einer Tagespflegeperson geschlossenen Vertrags, sei es in Gestalt einer förmlichen Zuweisungsentscheidung in Gestalt eines sozialverwaltungsrechtlichen Verwaltungsaktes, z.B. in der von einer kreisfreien Stadt, die selbst Trägerin der Jugendhilfe ist, als Eigenbetrieb geführten Einrichtung.
Warum das Bundesverwaltungsgericht hierbei stets von der Notwendigkeit des Nachweises eines zumindest „öffentlich geförderten“ Betreuungsplatzes spricht, erklärt es nicht. Erkennbar ist damit die Vorstellung verbunden, dass nur solche Betreuungsplätze „Teil des von ihm verantworteten Systems“ und damit anspruchserfüllend sind. Wahrscheinlich liegt insofern die allgemein aus dem Sozialleistungsrecht entnommene – um ein Beispiel aus dem Krankenversicherungsrecht aufzugreifen – Vorstellung zu Grunde, dass die Krankenkasse ihrer Leistungsverpflichtung gegenüber dem Versicherten nur durch die Einschaltung eines Kassenarztes (§ 95 I 1, III 1 SGB V) oder den Besuch eines sog. Vertragskrankenhauses (§ 39 I 1i.V.m. § 108 SGB V ) nachkommt, nicht aber, wenn der Patient einen freien („Keine Kassen!“) Arzt bzw. eine (reine) Privatklinik einschalten muss. Im Dunkeln bleibt insofern, wo gleichsam die „Systemgrenze“ der so gebundenen Einrichtungen im Bereich von Kitas und Tagespflege liegt und wird jeweils nur im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung des jeweiligen Landesrechts mit den dort enthaltenen Regelung zur Förderung von Tagespflegepersonen und Einrichtungen zu klären sein. In manchen Bundesländern liegt insofern durchaus die Vermutung nahe, dass grundsätzlich alle gleichsam „am Betreuungsmarkt verfügbaren Angebote“ für den öffentlichen Träger als „satisfaktionsfähiges Angebot“ gegenüber den Kindern und ihren Eltern in Betracht kommen, da alle Einrichtungen und Tagespflegepersonen jedenfalls in den Genuss irgendeiner Förderung kommen, weil die Kosten für die Inanspruchnahme solcher Einrichtungen generell gedämpft werden sollen.
Problematisch ist allerdings die damit erkennbar verbundene Unterstellung des Gerichts, dass sich der Träger der Jugendhilfe – z.B. im Rahmen der Förderung, was naheliegend wäre – auf geeignete Weise auch dergestalt Zugriffsrechte auf die betreffenden und von ihm dann – wieder ganz analog zu den im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (SGB V) bestehenden Verhältnisse ‑ im Bedarfsplan auf der Aktivseite geführten (vgl. § 80 I Nr. 1 SGB VIII) Betreuungsplätze sichert, dass diese auf seinen „Nachweis“ gegenüber dem anspruchsberechtigten Kind auch für dieses gleichsam „annahmebereit“ zur Verfügung stehen. In der Tat: Wäre es so, würde für die Erfüllung des Anspruchs auf frühkindliche Förderung der Nachweis eines so „verfügbaren“ Platzes gleichsam „im System“ genügen, müssen die Eltern des anspruchsberechtigten Kindes dann einfach nur noch „Ja“ sagen bzw. den Betreuungsvertrag unterschreiben; nicht anspruchserfüllend wäre es nur dann, wenn – um das Beispiel aus dem Bereich der Krankenversicherung aufzunehmen ‑ der Träger der Jugendhilfe etwa schlicht auf die Möglichkeit der Betreuung durch eine komplett „frei- und freiberuflich“ tätige Tagespflegeperson oder einer ohne jede Inanspruchnahme öffentlicher Förderung und verbundener Bindung der Plätze betriebenen Betreuungseinrichtung „hinwiese“, die sich mit eigenem Betreuungskonzept um gleichsam „handverlesene“ Kinder kümmert.
Ob den Leipziger Bundesrichtern freilich klar war, dass diese Vorstellung jedenfalls gemessen an den realen Verhältnissen weltfremd ist, bleibt offen: Eine entsprechende rechtliche Bindung der ganz überwiegend bei freien und freigemeinnützigen Trägers bestehenden Plätze ist jedenfalls weder im Bundesrecht (SGB VIII) geregelt noch im jeweiligen Landesrecht (jüngste Ausnahme Thüringen, § 3 III 2 ThürKitaG neuester Fassung) und dementsprechend kümmert sich kaum einen Träger der Jugendhilfe gleich schon gar nicht darum, etwa sogar so etwas wie eine „zentrale Vergabe der Betreuungsplätze“ vorzusehen, und sei es auch nur im Sinne einer ergänzenden Koordination und Plausibilitätskontrolle. Auch im Rahmen der Gewährung öffentlicher Zuschüsse werden den Einrichtungsträgern entsprechende Bindungen zumeist nicht auferlegt, zumal sich einige der Träger gegen solche Bindungen unter Berufung auf ihre Trägerfreiheit (vgl. §§ 3 I, 4 I 2, II, III SGB VIII) gleichsam mit Klauen und Zähnen wehren und man jedenfalls ausdrückliche Ermächtigungen für solche „Daumenschrauben“ auch im betreffenden Förderrecht der Länder vergeblich sucht (; die in Seminaren für die öffentliche Hand verbreitete Hausmeinung von Füßer & Kollegen ist, dass insofern ein Rückgriff auf die allgemeinen Nebenbestimmungsvorbehalte des Haushaltsrechts und des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht in Betracht kommt). Besteht seitens der Träger der Jugendhilfe hier überhaupt entsprechende Sensibilität – was mit Blick auf den in der untergerichtlichen Rechtsprechung mit Rücksicht auf das elterliche Wunsch- und Wahlrecht (§ 5 SGB VIII) anerkannten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Zuweisung eines Platzes in der Wunscheinrichtung bzw. die ggf. erfolgende Zuweisung eines Platzes an anderer Stelle und die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer gerechten Verteilung der zur Verfügung stehenden Plätze nach sachgerechten Kriterien durchaus nahe läge ‑, scheitert die Einrichtung solcher Systeme der zentralen Platzvergabe nicht zuletzt an den o.g. Widerständen.
Was den konkret vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall angeht, liegt die Vermutung einer generellen Förderung aller Einrichtungen auch für den Freistaat Bayern nahe, zumal das Gericht davon ausgeht – ohne das hierzu aus dem Urteil bzw. den Ausführungen der Vorinstanzen näheres zu erfahren ist –, dass auch die letztlich von den Eltern selbst gefundene Einrichtung eine solche „im System“ war, weil auch öffentlich gefördert. Dies ermöglicht dem 5. Senat der Leipziger Bundesrichter zugleich die gegenüber den Vorinstanzen verblüffende Falllösung: Verhält sich Bundesrecht – wie eingangs erläutert – nicht zur Höhe der für frühkindliche Betreuung zu erhebenden Teilnahmebeiträge und hatten die Eltern letztlich selbst doch noch einen öffentlich geförderten Betreuungsplatz gefunden, bestehen die den Eltern durch das Versäumnis des fehlenden Nachweises des Betreuungsplatzes durch den Träger der Jugendhilfe entstandenen spezifischen Mehraufwendungen alleine im Suchaufwand, so die Leipziger Bundesrichter:
„Ist der Primäranspruch – wie hier – nicht auf den Nachweis eines beitragsfreien Betreuungsplatzes gerichtet, hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nur diejenigen Aufwendungen zu übernehmen, die das nach § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII anspruchsberechtigte Kind im Fall des rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Nachweises eines Betreuungsplatzes nicht hätte tragen müssen […]. Mithin ist in den Fällen, in denen kein Recht auf kostenfreie Inanspruchnahme eines Betreuungsplatzes besteht, der Anspruch auf Übernahme von Aufwendungen für einen selbstbeschafften Platz auf den Mehraufwand beschränkt, der gerade durch die Selbstbeschaffung entstanden ist.“ [Hervorhebungen und Auslassungen durch uns, Füßer & Kollegen]
Anders gesagt „Mehraufwand“ war im vorliegenden Fall nur der für die Suche des Platzes auf Eigeninitiative entstandene Aufwand. Nur dann, wenn – wie z.B. wie in dem vom selben Senat schon 2013 entschiedenen Fall aus Rheinland-Pfalz (BVerwG, Urt. v. 12.9.2013 – 5 C 35/12) – landesrechtlich ein Anspruch auf kostenfreie Betreuung besteht, umfasst insofern der nach § 36a III SGB VIII analog zu erstattende Aufwand auch ein ggf. bezahltes Betreuungsentgelt bzw. möglicherweise den Aufwand für selbst – gleichsam in Privatinitiative ‑ beschaffte Betreuung. So ist es im Freistaat Bayern aber gerade nicht. Wirft diese Lösung mit Blick auf rechtsdogmatische Feinheiten die Frage auf, ob der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hiermit nicht den Begriff der „Aufwendungen“ – im Zivilrecht zumeist: die real für die Erledigung eines einem anderen obliegenden Geschäfts tatsächlich angefallenen Kosten – verkannt hat, scheint sie eingedenk des eingangs dargestellten finanzierungsrechtlichen Ausgangspunktes zumindest konsequent: Wenn bundesrechtlich grundsätzlich niemand ‑ bzw. allenfalls der individuell Bedürftige – einen Anspruch auf die Verfügbarkeit von frühkindlicher Förderung zu bestimmten (günstigen) Preisen hat, mag derjenige, der sich – wie vorliegend die klagenden Eltern ‑ selbst ein preislich recht ungünstiges Angebot im Bereich der öffentlich geförderten und damit „gelisteten“ Einrichtungen gesucht hat, die Frage der finanziellen Zumutbarkeit im konkreten Fall wie jeder andere auch im dafür zur Verfügung stehenden Verfahren mit gebotener Einzelfallbetrachtung nach den individuellen Verhältnissen klären.
Soweit die Anspruchsinhaber und ihre Personensorgeberechtigte mithin das Glück haben, einen – wenn auch über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse liegenden – öffentlich geförderten Betreuungsplatz zu ergattern, bleibt die Untätigkeit des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe mithin (erst einmal) insofern sanktionslos, da sich der Träger der öffentlichen Jugendhilfe durch die Förderung der Einrichtungen weit überwiegend – wenn zukünftig nicht sogar durch Anpassung und Ausweitung seiner Förderungen ausschließlich – auf die reine Möglichkeit des Nachweises der Verfügbarkeit eines Betreuungsplatzes berufen können, ganz gleich, wie teuer er ist.
Betreuen die Personensorgeberechtigten indessen ihr Kind selbst, steht ihnen gegebenenfalls gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urt. v. 20.10.2016 – III ZR 302/15) nach amtshaftungsrechtlichen Grundsätzen (§ 839 BGB, Art. 34 Satz 1 GG) ein Anspruch auf Verdienstausfall zur Seite, für welche in der Regel nur die üblichen Elternbeiträge in Abzug gebracht werden. (Nähere Informationen dazu finden Sie hier.)
Selbstredend kann sich der Anspruch auf einen kostenfreien oder kostengünstigen Betreuungsplatz nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ‑ jedenfalls bisher – zwar nicht aus Bundesrecht, aber aus Landesrecht ergeben, was zu weiteren Schwierigkeiten im Einzelfall führen dürfte. Denn die landesrechtlichen Regelungen differenzieren bei der Beitragsfreiheit – wie oben bereits skizziert ‑ erheblich, sehen eine solche entweder für sämtliche Kitajahre oder für einzelne Kitajahre vor, wobei diese zum Teil zeitlichen Beschränkungen unterliegen, die sowohl den Anwendungsbereich als auch die Inanspruchnahme der Leistung betreffen. Unklar bleibt mithin, ob und wie sich zukünftige Begünstigungen perspektivisch auf den Aufwandanspruch auswirkten, insbesondere wenn das Kind bis zum Schuleintritt in der selbstbeschafften Einrichtung betreut wird bzw. wurde.
Komplett offen bleibt schließlich – darum ging es in dem vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Fall nicht ‑ die von Vertretern von Jugendämtern gerne thematisierte Frage, wie die selbstbeschaffte Betreuungsleistung grundsätzlich beschaffen sein muss, um den Aufwendungsersatz überhaupt auszulösen: Geht es im von § 36a III SGB VIII geregelten Standardfall darum, dass die im SGB VIII ausdrücklich bezeichneten „Hilfen“ (z.B. Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege, vgl. § 2 II Nr.4, §§ 27, 33 SGB VIII) auf Eigeninitiative der Eltern in einer oder durch eine dafür anerkannte/n Einrichtung (ggf. zu höheren Kosten) in Anspruch genommen werden, stellt sich die Frage, ob Aufwände für selbst beschaffte Betreuung nur dann geltend gemacht werden können, wenn eine Tageseinrichtung oder Tagespflege in Rede steht oder ob auch entgeltliche Betreuungsleistungen von Verwandten, insbesondere Großeltern, oder Außenstehenden, wie Au-Pairs, zu erstatten sind. Zwar hatte sich das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 12. September 1996 (BVerwG, Urt. v. 12.9.1996 – 5 C 37/95) hierzu bereits positioniert und die Aufwandserstattung bei der Betreuung durch Großeltern unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet. Die Rechtslage hat sich über die Jahre jedoch deutlich verändert. So sieht das 8. Sozialgesetzbuch in § 23 SGB VIII keine eigenständige Rechtsgrundlage mehr für die Aufwandserstattung für die Personensorgeberechtigten vor, sondern begründet einen Anspruch eigens für die Tagespflegeperson. Auch steht die Tagespflege nunmehr unter Erlaubnisvorbehalt, soweit sie außerhalb der des Haushalts des Erziehungsberechtigten erfolgt, wobei in Abkehr zur alten Rechtslage keine Privilegierung für Verwandte vorgesehen ist. Ferner normiert § 23 I SGB VII nicht (mehr), ob und das die Geeignetheit der Tagespflegeperson vorab durch den Träger der Jugendhilfe festgestellt werden muss.
Im Ergebnis hat das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung mithin einige relevante Rechtsfragen geklärt, aber zugleich Vieles offen gelassen.