„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

BVerwG: Planfeststellungsbeschluss für den 3. GA der 380-kV-Leitung Wehrendorf-Gütersloh rechtmäßig

Mit Urteil vom 28. Mai 2025 hat das Bundesverwaltungsgericht drei Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Leitung Wehrendorf – Gütersloh (EnLAG 16), im Planfeststellungsabschnitt GA 3 in Niedersachsen, Umspannanlage (UA) Lüstringen – Punkt (Pkt.) Königsholz (Landesgrenze) vom 17. Juli 2024 abgewiesen und damit einen jahrelangen, von tiefgreifenden Rechtsänderungen geprägten Planungsprozess abgeschlossen.

Die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens wurde zwar erst am 8. Juni 2022 beantragt. Dem ging jedoch ein Raumordnungsverfahren voraus, welches bereits im Jahr 2014 und damit zu einem Zeitpunkt eingeleitet wurde, zu dem die Höchstspannungsleitung Wehrendorf – Gütersloh noch nicht im Energieleitungsausbaugesetz als Pilotvorhaben für eine Teilerdverkabelung festgelegt war. Mit Aufnahme der Leitung (in § 2 Abs. 1 Nr. 6 EnLAG) im Jahr 2015 folgte die Verpflichtung, den Einsatz einer Teilerdverkabelung auf technisch und wirtschaftlich effizienten Teilabschnitten als Erdkabel unter anderem dann zu prüfen, wenn die Leitung in einem Abstand von weniger als 400 m zu Wohngebäuden im Innenbereich oder weniger als 200 m zu Wohngebäuden im Außenbereich errichtet werden soll (§ 2 II Nr. 1, 2 EnLAG). Das war hier aufgrund der Ortslagen von Placke und Borgloh, der vielen Streusiedlungen und Einzelhöfe sowie der Lage der Umspannanlage nahe des Osnabrücker Stadtkernes auf gesamter Strecke der Fall. Planfestgestellt wurde eine Teilerdverkabelung allerdings „nur“ zum Schutz des Wohnumfeldes vieler Wohngebäude im Innenbereich, die sich in einem Abstand von weniger als 400 m zur Trasse befunden hätten.

Anders als noch im Genehmigungsabschnitt 2 des Gesamtvorhabens im Bundesland Nordrhein-Westfalen – die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss richteten sich dort gerade gegen die Führung als Erdkabel (BVerwG, Urt. v. 8. Januar 2025 – 11 A 23/23, 11 A 24/23; 11 A 25/23, juris) – wurde damit die Hoffnung vieler von der Freileitung Betroffener im sich anschließenden Abschnitt auf niedersächsischer Seite auf eine Teilerdverkabelung statt bis zu 80 m hohen Gittermaststäben in ihrem Wohnumfeld nicht erfüllt.

Vor diesem Hintergrund klagten zwei Anwohner aus dem von der Freileitung betroffenen Bereich Placke und ein Anwohner aus dem Bereich Borgloh, die insbesondere eine unzureichende Gewichtung des sog. Wohnumfeldschutzes zu ihren Lasten rügten. Zwei der Kläger waren überdies enteignungsbetroffen, sodass ihnen eine umfassende, wenn auch nicht grenzenlose Rügebefugnis zustand.

Diese nutzend, machten sie Verstöße gegen zwingendes Recht – namentlich die Wasserschutzgebietsverordnung in der Fassung der 1. Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Festsetzungen eines Wasserschutzgebietes für die Wassergewinnungsanlagen Wellingholzhausen vom 8. Januar 2004 (im Folgenden: WSG-VO) – als auch Fehler bei der Variantenprüfung als Teil der Abwägungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde geltend. Hiermit konnten sie allerdings nicht durchdringen.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte in seiner mündlichen Urteilsbegründung am 28. Mai 2025 die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht, dass das in § 5 IV Nr. 22 lit. c) WSG-VO normierte Verbot baulicher Anlagen nach Sinn und Zweck auszulegen sei und lediglich abwasserverursachende Anlagen betreffe. Durch die Arbeiten für die Erstellung der Fundamente zweier Masten in der Schutzzone II werde auch nicht gegen § 5 IV Nr. 36 lit. b) WSG-VO verstoßen. Nach dieser Regelung ist die Vornahme von Bodenabbau und Erdaufschlüssen verboten, die die Deckschichten auf Dauer vermindern. Allerdings sei § 5 IV Nr. 35 lit. b) WSG-VO für Baumaßnahmen spezieller und dieser lasse Erdaufschlüssen bis 3 m einschränkungslos zu.

Auch bei der Variantenprüfung konnte das Bundesverwaltungsgericht keine Fehler erkennen. Im Mittelpunkt der klägerischen Kritik stand dabei der im niedersächsischen Recht landesraumordnerisch abgesicherte Wohnumfeldschutz: Gemäß dem Grundsatz der Raumordnung in Abschnitt 4.2.2 Ziffer 06 Satz 6 des Landes-Raumordnungsprogrammes Niedersachsen in der geänderten Fassung vom 7. September 2022 (im Folgenden: LROP 2022) sind Trassen für neu zu errichtende Höchstspannungsfreileitungen so zu planen, dass ein Abstand von 200 m u.a. zu im Außenbereich gelegenen Wohngebäuden eingehalten werden soll. Dies war der Planfeststellungsbehörde allerdings nicht durchgängig möglich – die planfestgestellte Freileitung unterschreitet den 200 m-Abstand in 30 Fällen. Die Kläger vertraten daher die Ansicht, dass dem – von der Planfeststellungsbehörde als Abwägungsbelang zu berücksichtigende – Grundsatz der Raumordnung zu wenig Gewicht beigemessen worden sei. In diesem Zusammenhang beriefen sie sich insbesondere auf die Landesplanerische Feststellung, in der es sinngemäß heißt, eine Freileitung sei nur dann planfeststellungsfähig, wenn sie sich gegenüber einer Teilerdverkabelung aufdränge.

Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich auch insoweit der Rechtsansicht der beklagten Planfeststellungsbehörde an und führte aus, dass die Vorgabe der Landesplanerischen Feststellung gegen Bundesrecht – namentlich das in § 43 III 1 EnWG normierte Abwägungsgebot – verstoße. Es betonte in diesem Zusammenhang die gebotene offene, am Gesetzeszweck orientierte Abwägung zwischen Freileitung und Erdkabel, die die Planfeststellungsbehörde auch vorgenommen habe. Dass im gleichen und im auch zweiten Genehmigungsabschnitt (in NRW) jeweils eine Teilerdverkabelung planfestgestellt worden sei, belege, dass sich die Beklagte der Abwägung und dem Erprobungszweck nicht durch zu hohe Gewichtung der bauklassenbedingt stets gegen das Erdkabel sprechende Belange entzogen habe. Auch im Übrigen seien keine Abwägungsfehler ersichtlich.

Mit dieser Entscheidung ist ein weiterer Schritt zur Fertigstellung der 380-kV-Leitung Wehrendorf-Gütersloh, gleichzeitig in Richtung Energiewende gemacht, denn das Vorhaben dient dem Netzausbau im Zuge der Energiewende, insbesondere der Erhöhung der Stromübertragungskapazität des Netzes von Norden nach Süden. Füßer & Kollegen haben die Planfeststellungsbehörde im Gerichtsverfahren vertreten.