„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Chemnitz: Keine Räumpflicht der Anlieger außerhalb der geschlossenen Ortschaft – Stadt lenkt nach jahrelangem Rechtsstreit ein

Im Ergebnis eines langen Rechtsstreites sind Anlieger auf dem Adelsberg in Chemnitz nun mit Hilfe von Füßer & Kollegen von der Pflicht befreit worden, im Winter den Gehweg vor ihrem Grundstück von Eis und Schnee zu räumen.

Das Grundstück liegt mit wenigen anderen Häusern nahe am Ortausgang. Im Winter kommt da recht viel Schnee zusammen. Kraft der Straßenreinigungssatzung der Stadt Chemnitz waren die Eigentümer des Grundstückes verpflichtet, den davor verlaufenden Gehweg im Winter zu räumen und zu streuen, obwohl es an dieser Stelle kaum Fußgängerverkehr gibt, der Fußweg stadtauswärts nicht weiterführt und er auch weiter stadteinwärts nicht beräumt wird. Die Eigentümer hatten deshalb schon im September 2005 bei der Stadt eine Befreiung von der Winterdienstpflicht beantragt. Dieser Antrag wurde abgelehnt, ebenso der dagegen eingelegte Widerspruch. Daraufhin erhoben die Eigentümer – vertreten durch Füßer & Kollegen – im September 2006 Klage beim Verwaltungsgericht Chemnitz. Das Verwaltungsgericht wollte zwar zunächst schnell entscheiden und setzte für die Klagebegründung eine kurze Frist von wenigen Wochen. Nach Einreichung der Klagebegründung tat sich jedoch nichts – und zwar über mehrere Jahre. Füßer & Kollegen erhoben daher am 5. November 2009 eine Verfassungsbeschwerde zum Sächsischen Verfassungsgerichtshof, weil sie das in der Sächsischen Verfassung garantierte Recht auf ein zügiges Gerichtsverfahren verletzt sahen. Das sah der Verfassungsgerichtshof genau so (Beschluss vom 29. Januar 2010, siehe dazu getrennter Bericht).

Daraufhin setzte das Verwaltungsgericht nun – endlich – für den 12. Mai 2010 die mündliche Verhandlung an. Zur Gerichtsverhandlung kam es dann jedoch nicht mehr, weil die Stadt noch am Tag der Verhandlung einlenkte, die begehrte Befreiung gewährte und sich zur Übernahme der Verfahrenskosten bereit erklärte.

Aus rechtlicher Sicht ist entscheidend, dass außerhalb der geschlossenen Ortslage (nicht erst hinter dem Ortsausgangsschild – darauf kommt es nicht an!) nach § 51 des Sächsischen Straßengesetzes auf Gehwegen im Normalfall keine Reinigungs- und Winterdienstpflicht der Städte und Gemeinden besteht. Zwar kann die Stadt den Winterdienst auch auf die Anlieger übertragen. Das geht aber eben nur dort, wo auch die Stadt selbst (gegen Gebühren) räumen müsste. Im vorliegenden Fall – das hat das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss über die Kosten des Verfahrens noch einmal bestätigt – lag das betroffene Grundstück eindeutig außerhalb der geschlossenen Ortlage.

 

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