„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Entschädigung wegen enteignenden Eingriffs

Ein Anspruch auf Entschädigung wegen enteignenden Eingriffs besteht, wenn ein Hoheitsträger auf geschützte Rechte eines anderen (I.) durch einzelfallbezogenes, rechtmäßiges hoheitliches Handeln (II.) einwirkt und der betroffene Rechtsträger dadurch über die Opfergrenze hinaus beeinträchtigt (III.) wird.

I. Geschütztes Rechtsgut eines anderen

Die geschützten Rechte sind z.B. Eigentum, der Besitz und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Der Gewerbebetrieb ist einschließlich Kundenstamm und gesamten gewerblichen Tätigkeitskreis geschützt. Wenn der Berechtigte überwiegend auf Laufkundschaft angewiesen ist und die Existenz des Betriebes dadurch von der Örtlichkeit abhängt, d.h. von der Lage und dem Kontakt nach außen gekennzeichnet ist, ist auch eben dieser „Außenkontakt“, also die Zugänglichkeit geschützt (vgl. BGHZ 23, 157 ff.). Eine erhöhte Schutzbedürftigkeit ist erst recht anzunehmen, wenn der notwendige Außenkontakt aufgrund der Angewiesenheit auf den Verkauf an Passanten, die „im Vorübergehen“ an den in den Schaufenstern ausgestellten Waren Gefallen finden, bewußt durch die Auswahl einer günstigen Geschäftslage im Zentrum der Innenstadt in einem Bereich mit regem Fußgängerverkehr und durch ansprechend gestaltete Auslagen hergestellt wurde.

II. Eingriff durch hoheitliches Handeln

Der Hoheitsträger muß zur Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe tätig werden. Wenn er sich dabei eines beauftragten Unternehmens bedient, ändert nichts an der Qualifikation als hoheitliches Handeln. Insbesondere Wasser- und Abwasserleitungen dienen der Daseinsvorsorge, daher muß auch ihre Verlegung, Unterhaltung, Neuordnung und Sanierung der städtischen Versorgungsleitungen etc. dem öffentlich-rechtlichen Bereich zugeordnet werden. Das hoheitliche Handeln muß rechtmäßig sein (andernfalls kann u.a. ein Anspruch wegen enteignungsgleichem Eingriff bestehen).

Durch das Handeln muß als Nebenfolge das geschützte Rechtsgut beeinträchtigt werden. Eine solche Beeinträchtigung können bei einen Gewerbebetrieb Lärm- und Schmutzimmissionen sowie erschwerte Zugangsmöglichkeiten und der damit verbundenen Rückgang von Kundenverkehr und Umsatz sein, was typische Begleiterscheinungen von Baumaßnahmen unmittelbar vor einem Einzelhandelsgeschäft sind.

III. Sonderopfer des Rechtsinhabers

Es muß ein intensiver Eingriff vorliegen, mit dem dem Rechtsinhaber ein Sonderopfer abverlangt, d.h. er über die allgemeine Opfergrenze hinaus ungewöhnlich schwer beeinträchtigt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn beim Fortgang der Beeinträchtigungen dem Gewerbebetrieb eine Existenzgefährdung droht.

Als Vergleichsmaßstab für die Bewertung der Immissionen und inwiefern diese entschädigungslos zu dulden sind, kann in diesem Zusammenhang § 906 II BGB herangezogen werden. Danach besteht ein Ausgleichsanspruch, wenn eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Nutzung eines anderen Grundstücks herbeigeführt wird, der Betroffene die Einwirkung zu dulden hat und die ortsübliche Nutzung des Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird. Beschädigungen von im Zusammenhang mit dem Grundstück genutzten Sachen sind dabei stets wesentlich (Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 12. Aufl. 1989, § 906 Rn. 68). Aufgrund von Bauarbeiten erhöhte Einwirkungen sind ortsüblich, wenn sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unabweisbar erforderlich sind (Soergel, aaO. § 906 Rn. 89). Dabei müssen alle zumutbaren Maßnahmen zur Emissionsunterbindung getroffen werden.

Die Unzumutbarkeit der Beeinträchtigungen ist im Einzelfall festzustellen.

Faktoren, die bei dem weiten Ermessensspielraum der Gerichte bezüglich des Sonderopfers aber sicher berücksichtigt werden müssen, sind bei Einzelhandelsgeschäften erhebliche Umsatzverluste im Vergleich zu dem entsprechenden Monatsumsätzen anderer Jahre, und auch die Erforderlichkeit von weit über das übliche „Entstauben“ hinausgehende Reinigungsarbeiten an der Ware, die auch noch zu Kratzspuren oder ähnlichen, den Verkaufswert der Ware mindernden Folgen führen können. Jedenfalls ist die Schwelle zur Unzumutbarkeit aber nicht erst durch eine Existenzbedrohung überschritten.

Ersatzfähig ist der entstandene Schaden, auch Gewinnverluste in Höhe der Differenz zwischen dem konkret zu erwarten gewesenen Gewinn und dem tatsächlich erzielten Gewinn sowie Zinsen, wenn die Entschädigung nicht gleichzeitig mit dem Eingriff erfolgt.