„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Europäischer Gerichtshof weist in der Rechtssache Hartlauer den Weg für eine Liberalisierung beim Zugang zum Markt der ambulanten und stationären Versorgung in anderen Mitgliedstaaten

Der Gerichtshof hat deutlich gemacht, dass auch die grenzüberschreitende Niederlassung zum Zweck der Eröffnung von Arztpraxen und Kliniken von der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) geschützt ist und deshalb eine Regelung, wonach die Eröffnung einer Arztpraxis oder Klinik nur auf der Grundlage einer Erlaubnis der zuständigen Behörden im Mitgliedstaat möglich ist, eine Beschränkung dieser Freiheit darstellt. Zwar können solche Beschränkungen mit Blick auf den Gesundheitsschutz (Art. 46 I EG) gerechtfertigt werden und dies schließt auch die Möglichkeit ein, die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der ärztlichen und klinischen Versorgung einzuschränken, soweit dies für die Erhaltung eines bestimmten Umfangs der medizinischen und pflegerischen Versorgung oder eines bestimmten Niveaus der Heilkunde im Inland für die Gesundheit oder gar das Überleben der Bevölkerung erforderlich ist. Auch eine Planung, die eine vorherige Genehmigung für die Niederlassung neuer Anbieter medizinischer Leistungen verlangt, kann sich insofern als unerlässlich erweisen, um eventuelle Lücken im Zugang zu ambulanter Versorgung zu schließen und um die Errichtung von Strukturen einer Doppelversorgung zu vermeiden, so dass eine medizinische Versorgung gewährleistet ist, die den Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst ist, das gesamte Staatsgebiet abdeckt und geographisch isolierte oder auf andere Weise benachteiligte Regionen berücksichtigt, wie der Europäische Gerichtshof in Anknüpfung an seine ständige Rechtsprechung zur Erstattung von Behandlungskosten für die Behandlung im Rahmen von Krankenhausaufenthalten im Ausland ausführt.

Der Europäische Gerichtshof betont aber auch, dass ein solches System nur dann gerechtfertigt ist, wenn es nicht ohne Grund Lücken aufweist (hier: keine Genehmigungspflicht für Gruppenpraxen) bzw. die Zulassungsregeln und das Zulassungsverfahren für die Marktteilnehmer verlässlich klare und transparente Regeln der Auswahl der zugelassenen Praxen und Krankenhäuser garantiert, so dass der Marktzugang für neue Marktteilnehmer nicht erschwert wird.

Rechtsanwalt Füßer hatte im Rahmen seiner Vortragstätigkeit auf der zweiten Konferenz der Vereinigung Europäischer Privatkrankenhäuser im Oktober 2007 in Guimaraes (Portugal) auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Erstattung von Behandlungskosten für ambulante und stationäre Behandlungen im Ausland eine entsprechende Tendenz des Europarechts zur kritischen Beleuchtung entsprechender Hemmnisse für den Marktzugang schon prognostiziert. Wir freuen uns, dass diese Prognose nun voll gehalten hat, der Europäische Gerichtshof erkennbar auch in diese Richtung geht. Die weitere Rechtsentwicklung bleibt – auch mit Bezug auf die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Regelungen – mit Spannung abzuwarten.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs nebst dem zu Grunde liegenden Schlussantrag von Generalanwalt Bot vom 9. September 2008 finden Sie hier:

 

Den Vortrag von Herrn Rechtsanwalt Füßer (in englischer Sprache) sowie die begleitende Powerpointpräsentation finden Sie jeweils hier: