„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Verwaltungsgericht Gera: Erhebung von Erschließungsbeiträgen für den Bau der Straßenoberflächenentwässerung in Altenburg rechtswidrig

Mit Urteil vom 30. April 2025 hob das Verwaltungsgericht Gera in einem Klageverfahren nun auch einen Erschließungsbeitragsbescheid zulasten eines Anliegers der „Zschernitzscher Straße“ in Altenburg (3 K 273/23 Ge, bislang unveröff.) auf und wies auf erhebliche Fehler der Stadt bei der Beitragserhebung hin. Bereits mit Urteil vom 22. April 2024 hatte dasselbe Gericht (3 K 1067/21Ge, bislang unveröff.) einen Erschließungsbeitrag für die Straße „An der Schmiede“ aufgehoben und ebenfalls Mängel bei der Beitragserhebung kritisiert.

Vor dem Verwaltungsgericht Gera hatte ein Anwohner geklagt, der von der Stadt Altenburg zur Zahlung eines Erschließungsbeitrages in 4-stelliger Höhe für Bauarbeiten an der Straßenoberflächenentwässerung auf einem ca. 200 m langen Teil der Zschernitzscher Straße in Altenburg herangezogen worden war. Insgesamt betrug der von der Stadt als beitragsfähige veranschlagte Erschließungsaufwand für diese Baumaßnahme aus dem Jahr 2016 stattliche 55.978,38 Euro. Hierfür wurden u.a. vier Einläufe auf der nördlichen Straßenseite installiert und die Fahrbahnneigung entsprechend zu den Einläufen hin verändert.

Zunächst klärte das Verwaltungsgericht auf, dass die für die Abrechnung maßgebliche Verkehrsanlage „Zschernitzscher Straße“ von der Einmündung des Feldscheunenweges bis zum Beginn der Feldstraße – und damit weiter als von der Stadt Altenburg angenommen – reicht. Die Stadt meinte, die Straße zerfalle im Kurvenbereich der Einmündung „An der Schmiede“ in zwei verschiedene Anlagen, da vor der Baumaßnahme nur die Straßenentwässerung innerhalb der Ortslage Zschernitzsch an das Kanalsystem angebunden war und auch die einseitig, weit von der Straße zurückgesetzte Bebauung ab dem Kurvenbereich stadteinwärts darauf hindeute. Der Anwohner sowie Füßer & Kollegen sahen das anders und sprachen sich deutlich gegen ein Zerfallen in zwei verschiedene Verkehrsanlagen aus. Letzterem gab das Gericht Recht: die Zschernitzscher Straße führt wegen ihrer gleichbleibend asphaltierten Fahrbahn, dem einheitlich vom Feldscheunenweg verlaufenden Fußweg und trotz der schmalen, einmündenden Straßen „An der Schmiede“ und Poststraße über die Kurve hinaus bis zur Feldstraße. Auch eine größere als Feld genutzte Freifläche auf einer Seite der Straße änderte nichts an ihrem einheitlichen Gesamteindruck.

Das Verwaltungsgericht stellte darüber hinaus fest, dass es vor dem 3. Oktober 1990 bereits funktionsfähige Straßenoberflächenentwässerungen (z.B. Bürgermeisterkanäle aus den 1960er Jahren, Straßeneinlauf auf Höhe „An der Schmiede 2“ und einen offenen Straßengraben) in der Straße gegeben hat, die zwar nicht einheitlich auf der gesamten Straßenlänge bestanden, jedoch insgesamt für eine ordnungsgemäße Entwässerung der Straße sorgten. Daher durften keine Erschließungsbeiträge für den Bau von der Stadt erhoben werden. Der Zeitpunkt der Wiedervereinigung ist in erschließungsbeitragsrechtlicher Hinsicht besonders bedeutsam, denn gemäß § 242 IX 1 BauGB können für Erschließungsanlagen in den „neuen“ Bundesländern von vornherein keine Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch, sondern lediglich Straßenausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz des jeweiligen Landes (soweit ein solches existiert und einschlägig ist) erhoben werden, wenn deren Straßenoberfläche, Beleuchtung oder Entwässerung vor dem Wirksamwerden des Beitritts zum 3. Oktober 1990 bereits hergestellt waren.

Zum anderen kann nach Auffassung des Gerichts auch kein Straßenausbaubeitrag (mehr) gefordert werden. In Thüringen wurde die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für die Zukunft aufgehoben. Nach einer Übergangsvorschrift (§ 21 b I 1 ThürKAG) können Straßenausbaubeiträge nur noch erhoben werden, soweit die sachlichen Beitragspflichten bis zum 31. Dezember 2018 entstanden sind und dies war vorliegend nicht der Fall. Die Stadt hätte grundsätzlich die Möglichkeit einer sog. Abschnittsbildung in der Straße gehabt, d.h. sie hätte einzelne Abschnitte ausbauen und diese von den jeweiligen Anliegern vorfinanzieren lassen können. Allerdings wäre eine solche Vorfinanzierung nur dann möglich, wenn noch ein weitergehender Ausbau der übrigen Straßenteile vorgesehen ist. In Altenburg gibt es aber kein Ausbauprogramm, das genau das vorsieht.

Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, hat die Stadt nun Gelegenheit innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einen Antrag auf Berufungszulassung zu stellen.

Sobald das Urteil rechtskräftig wird, muss die Stadt dem Anlieger seinen bereits gezahlten Beitrag einschließlich einer gesetzlich vorgeschriebenen Verzinsung seit dem Tag der Einlegung des Widerspruchs am 16. September 2020 bis zum Auszahlungstag (§ 15 I Nr. 5 bb, dd ThürKAG i.V.m. §§ 236, 238 AO) erstatten.

Das Verfahren ist zudem noch für mehrere Anlieger im unteren Bereich der Zschernitzscher Straße von Bedeutung. Von diesen hatte die Stadt Straßenausbaubeiträge erhoben, gegen welche ein Teil der Anwohner ebenfalls Widerspruch eingelegt hatte. Da das Verwaltungsgericht die Zschernitzscher Straße von der Einmündung des Feldscheunenweges bis zum Beginn der Feldstraße als Einheit für die Beitragserhebung bewertet hat, kann auch nur eine einheitliche Abrechnung für Baumaßnahmen erfolgen. Daher müssten nun auch diese Straßenausbaubeitragsbescheide aufgehoben werden.