In Folge einflußreicher Untersuchungen des zeitgenössischen Statistikers E. J. Gumbel wird heutzutage allenthalber angenommen, der Nachweis für eine einseitige Orientierung der Weimarer Justiz gegen die Republik und für reaktionäre Kräfte sei erbracht. Der Beitrag zeigt – dekonstruktiv- zunächst anhand von Erkenntnissen der modernen Kriminalsoziologie, daß die Gumbel-Statistiken nicht aussagefähig sind. Sodann wird -rekonstruktiv- sekundäranalytisch das Datenmaterial von Gumbel neu ausgewertet. Hierbei zeigt sich, daß die generelle Aussage Gumbels aufrechterhalten werden kann, allerdings weit weniger dramatisch ausfällt. Zugleich zeigt sich, daß die Verantwortlichkeit für die Tendenzjustiz vor allem den ordentlichen Gerichten zufällt, nicht -wie damals behauptet- hauptsächlich auf den Sondergerichten (Volksgerichte und Militärgerichte) lastet.