„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Der Fall zum schweren Arbeitsunfall im Thyssen-Stahlwerk in Turin 2007

von Luciano Butti, Avv. Butti & Partners

Ein schwerer Arbeitsunfall im Dezember 2007 in einem Stahlwerk des Thyssen-Konzerns in Turin (7 tote Arbeitnehmer waren zu beklagen, einer überlebte) hat die italienische Strafjustiz beschäftigt und – in der ersten Instanz – zu einer auch für italienische Verhältnisse sehr strengen Bestrafung geführt: Nicht nur wurden der Vorstandsvorsitzende, 2 weitere Vorstandsmitglieder, der Werksdirektor und der für Sicherheitsfragen zuständige Direktor angeklagt und am Ende zu langjährigen Haftstrafen (zwischen 10 und 16 Jahren (!)) verurteilt. Vielmehr nutze das Gericht – das Tribunale Penale di Torino – auch die in Italien bestehende gesetzliche Möglichkeit (Gesetz Nr. 231/2001), die betreffende Tochtergesellschaft des Thyssen-Konzerns selbst zu einer Strafe von 1 Mio. Euro zu verurteilen, seine zukünftige Geschäftstätigkeit durch Verbot bestimmter Aktivitäten (z.B. Produktwerbung) zu beschränken und das Urteil durch Veröffentlichung in der nationalen Presse publik zu machen.

Wir präsentieren Ihnen (in englischer Sprache) eine kritische Anmerkung zu dem noch nicht rechtskräftigen Urteil – in Italien im Bereich des Umweltstrafrechts bzw. der Arbeitssicherheit einer der „leading cases“ der letzten Jahre – durch Avv. Luciano Butti ‑, einem der beiden Namenspartner von Butti & Partners, einer der führenden Umweltrechtskanzleien in Italien. Der Beitrag behandelt nicht nur auch für deutsche Straf-, Gesellschafts- und Umweltrechtler spannende Fragen zur Verantwortungsverteilung und –delegation in Unternehmen sowie zur Abgrenzung von grober bzw. bewusster Fahrlässigkeit gegenüber Eventualvorsatz, die in diesem Fall gravierende Konsequenzen für die angeklagten Manager hatte (, was Butti kritisiert). Er behandelt auch die sehr interessante Frage, in welchem Umfang geeignete – im vorliegenden Fall: weitgehend unterlassene ‑ organisatorische Maßnahmen (z.B. im Rahmen eines Quality Managements) zur Exkulpation der Betroffenen führen können, eröffnet damit interessante Perspektiven einer „Verschneidung“ strafrechtlicher und umweltrechtlicher Konzepte effektiver „corporate governance“. Last but not least zeigt der Fall auch, wie wirksam die derzeit in Deutschland wieder intensiv diskutierte Strafbarkeit juristischer Personen wirken kann.

Der Beitrag wurde in italienischer Sprache in Ambiente & Sicurezza sul lavoro, Epc Periodici, 2012, Heft 2, publiziert.

Die englische Fassung der Publikation finden Sie hier. Ebenfalls stellen wir Ihnen die deutsche Fassung hier zur Verfügung.