„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Probleme der FFH- und Vogelschutz-Verträglichkeitsprüfung, dargestellt am Beispiel des Emssperrwerkes

Beitrag zum Tagungsband „3. Speyerer Planungsrechtstage“, Hrsg.: Jan Ziekow, Verlag Duncker und Humblot
Klaus Füßer

Umstrittene Planungsprojekte und die darüber geführten gerichtlichen Auseinandersetzung wirken wie „juristische Brenngläser“: Der Blick wird auf – meist: heikle – nicht vollständig ausgeleuchtete Stellen eines neuen Rechtsgebiets gelenkt, die fokussierten Probleme werden mit besonderer Präzision – und häufig: Verbissenheit – diskutiert.

Der inzwischen zu einem vorläufigen Abschluss gekommene Streit über das sog. Emssperrwerk bildet hier keine Ausnahme: Neben einer Reihe von verwaltungs- und verwaltungsprozessrechtlicher Marginalien und dem Problem der Reichweite des in Niedersachsen den anerkannten Naturschutzverbänden gewährten sog. „materiellen Verbandsklagerechts“ sind im zu Grunde liegenden Planfeststellungsverfahren sowie in den nachfolgenden Gerichtsverfahren vertieft Fragen im Zusammenhang mit den Rechtswirkungen der sog. Vogelschutz-Richtlinie (im Folgenden: „VS-RL“) sowie der Flora- Fauna- Habitat-Richtlinie (im Folgenden: „FFH-RL“) behandelt worden. Die durch einen zunächst verfügten gerichtlichen Baustopp erzeugte Spannung wurde noch dadurch gesteigert, dass während der laufenden Verfahren immer wieder neue „einschlägige“ Urteile des EuGH sowie eine Sequenz durchaus changierender Judikate in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere zu den sog. „potenziellen FFH- Gebieten“ zu verzeichnen waren.

Der Streit um das Emssperrwerk ist insofern ein Lehrstück für die Wirkungsmacht des europäischen Naturschutzrechts in laufenden Planfeststellungsverfahren, zumal wenn diese unter den wachsamen Augen eines anerkannten Naturschutzverbandes stattfinden, welcher zudem über das scharfe Schwert eines materiellen Verbandsklagerechts (hier: § 60c Abs. 1 NdsNatSchG) verfügt, um notfalls seine Kritik auch gerichtlich wirkungsmächtig werden zu lassen.

Weitgehend schulmäßig sollen deshalb die in dem Verfahren behandelten Probleme im Hinblick auf die VS- und FFH-Richtlinie durchgegangen, diese Probleme in kritischer Auseinandersetzung mit den erwähnten Judikaten diskutiert werden. Hierzu wird zunächst das Projekt – in stark vereinfachter und für die Zwecke der nachstehenden Überlegungen gleichsam als „Dummy“ gerechtfertigter Form – vorgestellt . Sodann werden die im Rahmen des Streits über das Projekt erörterten Fragen des europäischen Vogelschutzes und des europäischen Habitatschutzes diskutiert. Der Beitrag schließt mit einer Betrachtung der Probleme, die sich im Hinblick auf die Vergemeinschaftung des Naturschutzrechts und der deshalb erforderlichen Kooperation zwischen nationaler Gerichtsbarkeit und EuGH bei der Vermessung eines neuen – zudem äußerst grundrechtssensiblen – Gebiets des Gemeinschaftsrechts ergeben.