„Der Zweifel ist der Beginn der Wissenschaft. Wer nichts anzweifelt, prüft nichts. Wer nichts prüft, entdeckt nichts. Wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind.“ (Teilhard de Chardin, 1881-1955, frz. Theologe, Paläontologe u. Philosoph)

Verbandsklage, Immissions- und Störfallschutz

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24. Oktober 2013 – 7 C 36.11 – gleich drei brisante Themen aufgegriffen, zu denen sich auch Füßer & Kollegen in der Literatur geäußert haben. Im Wesentlichen bestätigt das Bundesverwaltungsgericht die auch von uns vertretenen Rechtsauffassungen:

Zunächst stand die Frage im Raum, ob die anerkannten Umweltverbände im Rahmen einer nach Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz eröffneten Klage sämtliche (vermeintliche) Rechtsfehler rügen können oder nur solche, die einen umweltrechtlichen Bezug aufweisen. Entgegen anderes verlautbarenden Stimmen in der Literatur (so z.B. Berkemann, NuR 2011, 780 (782 ff.)) hat sich das Bundesverwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass gerade auch mit Blick auf die unions- und völkerrechtliche Untersetzung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes die dort geregelten Klagerechte sich auf die dem Umweltschutz dienenden Normen beschränken (so auch bereits Lau, Die Kontrolle des Schutzes von Natur und Landschaft in der Bauleitplanung, Baden-Baden 2012, S. 180).

Zentrales Streitthema des dem Urteil vom 24. Oktober 2013 zu Grunde liegenden Verfahrens war die Frage nach dem richtigen Prüfungsgegenstand im Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16 BImSchG. Insofern kam das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass sowohl hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung als auch hinsichtlich des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens in diesen Fällen grundsätzlich nur das Erweiterungsvorhaben zu betrachten sei. Dies gelte auch für die Bestimmung irrelevanter Zusatzbelastungen nach den Vorgaben der TA Luft. Jene Ansicht begründet das Bundesverwaltungsgericht ausführlich, hält dann aber hinsichtlich der entscheidenden Frage, ob die isolierte Betrachtung allein des Erweiterungsvorhabens vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG auch dann noch gerechtfertigt werden kann, wenn sich der Immissionsbeitrag des Erweiterungsvorhabens mit den Beiträgen des Anlagenbestands überlagert, offen (siehe Rdnr. 43 des Urteils). Insoweit hatten Füßer/Kreuter, NVwZ 2013, 1241 (1246) jüngst vertreten, dass zumindest in diesen Fällen eine Gesamtbetrachtung (Erweiterungsvorhaben + Anlagenbestand) vorzunehmen ist.

Schließlich äußerte sich das Bundesverwaltungsgericht in einem obiter dictum noch zu einer störfallrechtlichen Frage mit Blick auf die störfallrechtlich relevante Genehmigung von Anlagen nach § 34 Abs. 1 BauGB. Dabei schloss sich der 7. Senat zunächst der ständigen Rechtsprechung des 4. Senats an, wonach das Bestehen eines Planungserfordernisses der Genehmigungsfähigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht entgegen gehalten werden kann. Im Bereich des Störfallschutzes hat der Europäische Gerichtshof jedoch mit Urteil vom 15. September 2011 – C-53/10 – den Genehmigungsbehörden einen letztlich planerischen Beurteilungsspielraum zugestanden. Diesbezüglich erkennt nun auch das Bundesverwaltungsgericht – anders als bislang vielfach in der Literatur vertreten –, dass sich dieser Beurteilungsspielraum nicht im Tatbestandsmerkmal des Einfügens unterbringen lässt und daher aus unionsrechtlichen Gründen ein störfallrechtlich bedingtes Planungserfordernis ausnahmsweise doch auch einem Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB entgegen stehen könne (siehe Rdnr. 58 des Urteils; so bislang – soweit ersichtlich – nur vertreten von Lau, DVBl. 2012, 678 (680)).